Der Monte Baldo und der Monte Altissimo bilden ein Bergmassiv, das vom Seeufer aus betrachtet, auf den ersten Blick den Eindruck erweckt, als sei es undurchdringlich, mit einem Forst, in dem noch die Nibelungen hausen. Abgesehen von der bequemen Seilbahn – sie hat ihre Talstation in Malcesine – gibt es nur eine Zufahrtsstraße für Biker, nämlich die des Monte Baldo, die in der Ortsmitte von Torbole beginnt und sich über zahlreiche Hänge hinaufwindet, bis sie als Pfad auf dem Gipfel des Altissimo endet. Wir schlagen diese Steigung als einen neuen und spektakulären „Ritt” mit unserem Drahtesel vor, der durch die Wälder oberhalb vom Gardasee führt. Passt euren Rhythmus der Steigung an! Habt Geduld und tretet rhythmisch in die Pedale auf diesem Asphaltstreifen, der niemals zu enden scheint. Ein Blick in die Augen der Biker, die auf dem Asphalt dahinsausen, sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Einige von ihnen werden euch anlachen, ja schon fast auslachen, während ihr euch unter der heißen Sommersonne im Schweiße eures Angesichts abmüht. Sie wissen nicht, dass ihr Lächeln im Vergleich zu eurem überhaupt nichts ist, wenn ihr einmal den Weg zur Talfahrt eingeschlagen habt. Auf Asphalt abzufahren, sollte wirklich das Letzte sein, dass ein von sich überzeugter Biker tut, vor allem dann, wenn er sich in einem Wege-Eldorado wie auf dem Altissimo befindet. Aber einige Biker lesen nicht diesen Führer, und folglich wissen sie auch nicht, wo sich die coolsten Singletrails befinden.
Die Wegeinmündung ist dieselbe wie für die Abfahrt vom „Dosso dei Roveri“ zum „Navene“, d. h. zu Beginn sind diese Abfahrten identisch, denn es geht durch die herrlichen felsigen Kehren des Wegs Nr. 6, der inzwischen zu den klassischen Routen vom Gardasee zählt. Vor nicht zu langer Zeit wurde dieser Weg gewartet, und folglich sind die schwierigsten Stellen, bei denen das Felsgestein entfernt wurde, nun für alle Biker, die über eine gute Technik verfügen, befahrbar. Die Freude an der Abfahrt wird brüsk auf einem kleinen Hochplateau unterbrochen, wo sich die Ruine eines Lazaretts befindet, beim „Dosso Spirano“. Dort wird links in Richtung „Bocca di Navene“ eingebogen, natürlich immer bergauf. Nur so ganz nebenbei: Für etwa 15 Minuten müssen wir unser Bike schieben, denn der Weg ist derart steil, dass absolut nichts im Sattel geht. Versucht es nicht einmal eine Sekunde, es lohnt sich wirklich nicht, und lasst euch durch diesen kurzen „Gewaltakt“ nicht von der Tour abbringen. Es wäre wirklich schade, denn ihr würdet etwas Neues am See versäumen, das jeden Biker reichlich belohnt. Die Versuchung liegt klar auf der Hand. Man müsste eigentlich nur die Bremsen loslassen und auf dem Weg Nr. 6 in Richtung „Navene“ abfahren. Aber wie oft habt ihr diese Abfahrt schon hinter euch gebracht? Lasst den faulen Bikern den Vorrang und überzeugt euch selbst, dass ihr endlich mal etwas Neues, ein Highlight probieren wollt. Der Weg wird kurz darauf eben und führt an den Schutzwällen des „Monte Altissimo“, stets auf derselben Höhenlage, entlang. Die Kurven, deren Steilhänge in wunderschöne Wälder münden, wo der See die Kulisse bildet, werden euch mit offenen Augen träumen lassen.
Als wir diesen Weg entdeckten, wollten wir unseren Augen nicht trauen! Wir hatten das Gefühl, Forscher in einem weit entfernten und unbekannten Land zu sein. Und dabei bedenke man, Torbole und der Lärm am Seeufer sind nur wenige Kilometer entfernt. Wir wussten nicht, ob diese Strecke überhaupt befahrbar ist. Dies erhöhte die Spannung und ließ das Herz vor jeder bisher unbekannten Kurve schneller schlagen. Auch dieser Weg, wie der vom „Dosso dei Roveri“, gehört zur Hinterlassenschaft der Soldaten aus dem 1. Weltkrieg, die sie, ohne sich darüber klar zu sein, den Bikern zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts vermachten. Sie kann man auf der Terrasse des alten militärischen Karrenwegs erkennen, der hier vorbeiführte und die „Bocca Navene“ mit dem heutigen Friedenspfad verband. Heute ist diese Strecke gleichsam Verbund von zwei der schönsten Abfahrten des östlichen Gardaseegebiets. Eine davon, nämlich die von „Dosso dei Roveri“, ist bei allen Bikern inzwischen wohlbekannt. Die andere, d. h. die von „Bocca di Navene“ führte hingegen immer ein Schattendasein, denn die einzige Möglichkeit, sie zu erreichen, war die Seilbahn von Malcesine. Diese Seilbahn lässt nicht viel Platz für Improvisationen, denn die Bikes werden nur zu festgelegten Uhrzeiten befördert und die Mehrzahl der Biker, d. h. die, die ihre Abfahrten im Schweiße ihres Angesichts „verdienen“ wollen, sind sowieso gegen diese Art von Bequemlichkeit. Wir bieten euch die Lösung in dieser Ausgabe von „Lagobiker”. Eine erlebnisreiche und abenteuerlustige Route für alle, welche die langen Singletrack-Abfahrten lieben oder auch die Routen, weitab vom Massentourismus. Die Route auf dem Hang endet bei einer Weggabelung, wo wir den Weg nehmen, der bergab führt. Dieser Weg wird seit Jahren nicht gesäubert. Es scheint so, als ob dort seit Jahrhunderten niemand mehr vorbeikam. Eine dichte Schicht welker Blätter und trockener Äste macht die Fahrt im Sattel beschwerlich, aber zum Glück ist die Einmündung des Wegs, der von der „Bocca di Navene“ kommt, nicht allzu weit entfernt. Und nun wird es ernst mit der Abfahrt.
Eine Art Toboggan, mit spektakulär rasanten Kurven wartet auf uns. Auch hier könnte eine Säuberung des Wegs zur Freude der Biker nicht schaden, die ihn dann in seiner gesamten Breite nutzen und über die Steilkurven bergauf fahren könnten. Wir haben diese Route mit Hans Rey in der vergangenen Saison zurückgelegt. In „Navene“ angekommen, konnte Hans seiner Begeisterung nicht Herr werden: „Das ist vermutlich die tollste Strecke des gesamten Gardaseegebiets!“ Wir können ihm nur Recht geben. Eine niemals endende Abfahrt – so hat es jedenfalls den Anschein, den das Gefälle hält sich in Genzen. Der Grund ist ganz einfach: Dieser Karrenweg wurde früher auch bergauf verwendet, wo Männer und Mulis einen beträchtlichen Höhenunterschied zwischen dem See (66 m ü.d.M.) und der „Bocca di Navene“ (1.425 m ü.d.M.) überwinden mussten. Das war der einzige Weg, um direkt von „Malcesine“ auf den Gipfel des „Monte Baldo“ zu gelangen, ohne große Umwege über den „Passo San Giovanni“. Heute ist diese Strecke der „Bocca di Navene“ ein verborgener „Schatz“, der auf nichts anderes wartet, als von den Mountainbikern wieder entdeckt zu werden.
INFO TRAIL
Höhenunterschied: 1400 m
Kilometer: 36 Schwierigkeitsgrad: ****
Beste Jahreszeit: April - November
Route: Torbole – Straße des Monte Baldo – Malga Zures – Malga Casina – immer auf derselben Straße bleiben bis zu den Häusern, wo sich gegenüber ein Kreuz befindet, gefertigt aus Geschossen des 1. Weltkriegs, und kurz danach beginnt rechts ein Schotterweg (Wegweiser 6) – Dosso Spirano – links auf den Weg Nr. 6b abbiegen, der bergauf führt (auf einem kleinen Abschnitt muss man das Bike etwa 15/20 Min. schieben) und ihm bis zu einer Weggabelung folgen. Dort geht es rechts bergab bis zur Einmündung des Wegs, der von Bocca di Navene herabkommt (Wegweiser 634) – Navene – Torbole (die Gardesana benutzen).
Alternative: Die Seilbahn nehmen, die von Malcesine zum Gipfel des Monte Baldo führt (die Uhrzeiten beachten, in denen auch das Bike befördert wird) und von dort der Straße folgen, die bergab bis zur Bocca di Navene führt. Links auf den Weg Nr. 634 einbiegen und ihm bis nach Navene folgen.
Telefonnummer der Seilbahn: 045-7400206 Beste Jahreszeit: April - November