Wenn vom Tremalzo die Rede ist, glaubt man schon alles zu kennen. Jeden Stein auf der Militärstraße, jedes Tunnel, jeden Pfad. Auch die belegten Brötchen der Schutzhütte Garda scheinen immer gleich zu schmecken. Deshalb kam uns an einem kalten Novembertag die Idee, uns auf die Suche nach Etwas zu machen, dass uns neuerlich dazu anregen könnte, den Tempel des Mountainbikes zu erklimmen, der zwar als Berg keine besondere Bedeutung hat, aber für jeden überzeugten Biker der Traum ist.
Die Route beginnt wie immer am Ufer des Gardasees in Riva. Auf der ehemaligen Straße des Ponale - heute in den Giacomo-Cis-Weg umgeändert - in die Pedale zu treten, wird mir niemals langweilig. Die Aussicht, die mäßige Steigung und die Fahrt hoch über dem See, machen diese ersten Kilometer zu einem unvergesslichen Erlebnis. Nach der Schlucht des Wildbachs Ponale geht es in Richtung Pregasina weiter. Der neuerliche Asphalt mildert die Mühen dort, wo die Steigung entschieden zunimmt. Die Straße windet sich wie eine lange Schlange empor, und verläuft nur kurz unterhalb der ersten Häusern des Dorfes fast eben, um dann wieder, ohne Pardon, anzusteigen. An heißen Sommertagen sollte man unbedingt eine Rast beim schönen Brunnen einlegen, der sich rechter Hand befindet. Dies empfiehlt sich nicht nur, um den glühenden Kopf in das kühle Nass zu tauchen, sondern vor allem, um sich einen Wasservorrat zu beschaffen, denn das Gebiet von Tremalzo ist eine Karstlandschaft, und folglich bleibt kein Tropfen Wasser an der Oberfläche erhalten.
Das, was uns wartet, ist eine Neun wert: Einige hundert Meter mit einer kontinuierlichen Steigung von 15% und noch steileren Rampen. Hier wird gegen die Schwerkraft angekämpft und man ist bemüht, nicht an die restlichen Höhenmeter zu denken, die uns vom Gipfel dieses Tages, dem legendären Tunnel des Tremalzo-Passes, trennen. Zum Glück liegt die Schotterstraße im Schatten des Waldes und bietet atemberaubende Aussichten auf das Gardaseegebiet. Diese Panoramen sind eine gute Gelegenheit, um Luft zu holen und wieder neue Energien aufzutanken, denn das was hinter der Malga-Alm Palaer auf uns wartet, wird all unsere Kräfte in Anspruch nehmen.
Hier geht es um einen bergaufführenden Singletrack. Er ist zwar zum Großteil im Sattel möglich, verlangt aber kräftige Beinarbeit, um über Erdstufen, Wurzeln und durch enge Kurven mit einem Pedaltritt bis hin zum luftigen Passo Rocchetta zu gelangen, auf 1100 Metern hoch über dem See. Ein absolutes „must“ für alle, die am Gardasee waren. Fast unglaublich, dass man in so kurzer Zeit von Riva del Garda (66 m ü.d.M.) diese Höhe erreicht. Plötzlich haben wir den Tremalzo wie eine Fata Morgana vor Augen, weit entfernt und fast unerreichbar. Auf einem fast ebenen Weg, und an der Stelle, wo wir unsere Feldflaschen, bei der Baita Segala, mit frischem Wasser füllen können, legen wir neuerlich Rast ein. Die Hütte wird von der Bergsteigergruppe aus Limone verwaltet, die sie regelmäßig mit Mineralwasser versorgt und dank des Beitrags von Bikern und Wanderern, die dort eine Pause einlegen wollen, offen hält. Ein Grillfest auf der Terrasse der Hütte – das Fleisch wird aus dem Tal mitgebracht – wird, zusammen mit dem sich bietenden Panorama auf das Valle del Singol, oberhalb von Limone, zu einem ausgesprochenen „Natur-Highlight“.
Die Einmündung der normalen Straße vom Tremalzo zum Passo Nota, ist zugleich der Beginn der letzten mühevollen Steigung unserer Route, auf einer ehemaligen Militärstraße, die kontinuierlich ansteigt, bis hin zur ehemaligen Grenze zwischen Österreich und Italien. Sie befand sich zur damaligen Zeit auf dem Tremalzo-Pass, auf 1788 m Höhe, und blieb Schauplatz bis zum Ende des 1. Weltkrieges. Der durch die Steigung auferlegte Rhythmus ermöglicht, dieses vom ehemaligen Pionierkorps angelegte Straßennetz, ein Meisterwerk an Kurven und in den Fels gegrabene Tunnels, mit den Augen abzutasten und zu bestaunen. An schönen Frühlingstagen werden Sie sich hier, in dieser gottverlassenen Gegend, zwischen dem Valle di Ledro und dem Gardasee, absolut nicht einsam fühlen, denn zahlreiche Biker werden mit Ihnen zusammen bemüht sein, die Steigung dieses legendären Passes zu bezwingen. Nach der Durchfahrt eines langen, dunklen Tunnels können Sie abschätzen, wie weit das Ziel Ihrer Mühen entfernt ist. Denn nun gilt es die restlichen Kehren vor dem eigentlichen Pass zu überwinden. Auf diesem Straßenabschnitt bleibt der Schnee in einem strengen Winter bis Mitte Mai liegen, und manchmal gibt es dort derartig hohe Schneehaufen, dass die Ausfahrt vom vorletzten Tunnel problematisch und ausgesprochen abenteuerlich werden kann. Es kam schon vor, dass die ersten Mountainbiker der Saison dort Schnee schippen mussten, um aus einen Ausgang aus dem Tunnel zu schaffen, und zwar mit Schneeschaufeln, die bei Lawinen zum Einsatz kommen, und die sie im Rucksack mitbrachten, um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein.
Jetzt aber zum neuen Trail, den wir im vergangenen November entdeckten. Vom Pass fahren wir bis zum Rifugio Garda ab, und dort biegen wir links auf den Schotterweg in Richtung Limone ein. Sollten wir nun diesem Weg folgen, gelangen wir ans Seeufer, ohne auch nur einen einzigen Singletrack gemacht zu haben, aber das ist ja nicht unsere Absicht. Und deshalb biegen wir bei der zweiten Kehre, rechts bei der Malga Ciapa (übrigens eine Einkehr, die sich als Alternative zur Schutzhütte Garda bietet und absolut zu empfehlen ist), nach links ab und folgen dem Weg Nr. 222 in Richtung Valle Prà delle Noci. Die Strecke wurde 2007 komplett gesäubert und neu angelegt. Wir glaubten unseren Augen nicht zu trauen, als wir sie sahen. In der letzten Ausgabe des Bikeführers „Moser”, die allerdings schon etliche Jahre zurückliegt, wird diese Strecke schlicht als unbefahrbar beschrieben, während wir sie vollkommen im Sattel zurücklegen. Der Singletrack verläuft durch gottverlassene Gegenden, weitab von jeglicher Zivilisation, und unterhalb von schönen Kalksteinfelsen. Der von der Natur „angelegte“ Trail führt durch das Val Prà delle Noci und weiter nach Tremosine. Wir beschließen jedoch, unsere Bikes etwa 20 Minuten zu schieben, bis hin zur Bocca Fobia. Der talwärts führende Singletrack in das Valle di Fobia ist jeden Tropfen Schweiß wert.
INFO TRAL
Km: 50
Höhendifferenz: 2200 Meter
Schwierigkeitsgrad: anstrengend
Beste Jahreszeit: Mitte Mai – Mitte Oktober
Routenbeschreibung:
Riva del Garda - Pregasina (auf dem Giacomo Cis-Weg, der alten Straße des Ponale) - Malga Palaer - Passo Rocchetta (Weg Nr. 422 bergauf, links vom Schotterweg, etwa 400 Meter nach der Malga Palaer. NICHT den Weg einschlagen, der bei der Alm startet. Diese Steigung kann nicht im Sattel befahren werden!) - Passo Guil - Bocca dei Fortini - Passo Nota - Passo Tremalzo - Rifugio Garda - Malga Ciapa - Weg Nr. 222 - Malga di Fobia (etwa 20 Minuten schieben) - Bocca Fobia - Straße, die von Tremosine zum Passo Nota führt - Tremosine - Limone (auf Asphaltstraße). Zur Rückkehr nach Riva, in Limone die Fähre nehmen. Die Gardesana hat viele dunkle und enge Tunnels, und ist folglich gefährlich!
Alternative ohne zu schieben: Dem Weg Nr. 222 ins Valle Prà delle Noci folgen, der dann auf den Schotterweg einmündet, der durch das Valle San Michele talwärts bis nach Tremosine und weiter nach Limone führt.
Alternative ohne die lange Steigung vom See hinauf: Mit einem Zubringerbus erreicht man bequem das Rifugio Garda, und dort kann man direkt den Trail in Angriff nehmen. In diesem Fall empfehlen wir, nach der Abfahrt der Bocca Fobia, die 400 m Höhendifferenz bis zum Passo Nota in Kauf zu nehmen und von dort nach Limone abzufahren, über Corna Vecchia und durch das Val Pura (siehe Lagobiker 2007).