Der westliche Teil des Sees erscheint auf den ersten Blick praktisch völlig unpraktikabel im Sattel des Mountainbikes. Die Bergflanken sind zu steil, die zum See abfallenden Berge sind zu felsig, die anzugehende Höhendifferenz verlangt zuviel Einsatz ab.
Aber in diesem Fall trügt der Schein! Eine bequeme und spektakuläre Straße, anfangs nur ein Weg, windet sich an den sanften Hängen der Felswand entlang, die Riva del Garda von Limone trennt. Sie entfernt sich allmählich vom Seeufer, um sich durch das Tal des Ponale bis nach Pregasina empor zu ziehen. Die Kehren nützen jede Felsspalte des Bergs, und dort, wo nicht genügend Platz war, wurden große Bettungen errichtet, die sicherlich Jahre, wenn nicht Jahrhunderte standhalten werden. Die Straße, die von Riva nach Pregasina führt, wurde nämlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbaut und war bis vor wenigen Jahrzehnten für den Verkehr geöffnet. Nach einer Sanierung im ersten Streckenabschnitt, ist sie nun absolute Domäne der Biker und Wanderer sowie das „Eingangsportal“ zur Region von Tremalzo.
Heute wollen wir uns aber nicht so weit vorwagen. Unser Ziel ist der Passo Rocchetta (1150 m). Eine fantastische Naturterrasse, mit Blick auf den Gardasee, die man in vollen Zügen genießen sollte, natürlich in erster Linie als Biker. Die Steigung vom Seeufer bis hinauf zum Pass ist kein Spaziergang, sondern im wahrsten Sinn des Wortes eine Steigung, die gegen Ende Knochenarbeit verlangt. Nachdem wir uns auf der ehemaligen Straße des Ponale aufgewärmt haben und in der Ortschaft Pregasina angekommen sind, wird es ernst. Für alle, die eine weniger anstrengende Radtour vorziehen, gibt es noch eine letzte Möglichkeit zur Rast in der „Zivilisation”, in Pregasina, in einer der beiden Bars, die direkt an unserem Weg liegen. Psychologisch gesehen könnte es ein Fehler sein, sich mitten in der Steigung bei einem Eis oder Kaffee auszuruhen. Aber, was soll’s? Im schlimmsten Fall drehen wir unseren Drahtesel um und kehren wieder an den See zurück, ohne jedoch unser wirkliches Tagesziel erreicht zu haben. Für die wild entschlossenen und spartanischen Biker bietet sich ein schöner Brunnen beim Ortausgang von Pregasina. Dort wartet frisches Wasser, um die erhitzten Köpfe zu kühlen und die Wasserflaschen aufzufüllen bevor der anstrengendste Teil der Steigung in Angriff genommen wird. Zur genauen Lagebeschreibung: Wir befinden uns kurz vor der Kapelle, die wir links liegen lassen. Die asphaltierte Straße geht nun in eine Schotterstraße über, die kurz danach zu einem echt steilen Zementband (15% Steigung, mit noch steileren Abschnitten) wird, das glücklicherweise im Schatten vom Wald liegt. Zu einem Plausch mit den anderen Tourenfreunden wird kaum Luft bleiben. In einer Rechtskurve lichtet sich der Wald unverhofft und gibt eine spektakuläre Aussicht in Richtung Sirmione und auf den südlichen Gardasee frei. Dort ist die geeignete Stelle, um eine schöne Rast einzulegen. Hinzu kommt, dass der Passo Rocchetta, unser Ziel, nun nicht mehr weit ist, und dass die vergnüglichste bzw. technischste Steigung noch auf uns wartet. Bei der Malga Palaer ist es wichtig den Wegweiser zu ignorieren, der über die Direttissima zum Passo Rocchetta führt. Auf der Steigung würde uns nichts anderes übrig bleiben, als zu schieben. Wir fahren etwa 500 Meter auf einem Schotterweg weiter, der nun flach verläuft, bis hin zum Trail 422, del links bergauf führt. Dieser ist fahrbar.
Auf diesem Weg werden Ihre Waden und Ihr Gleichgewicht auf eine harte Probe gestellt. Hier stellt sich heraus, wer ein guter Biker ist und über eine mehr als gute Kondition verfügt. Mit Wurzeln übersäte Rampen wechseln sich mit Kehren ab, die auf sanften Waldboden verlaufen. Dies alles kann man im Sattel zurücklegen, falls man genügend Kraft in den Beinen hat und einem die Puste nicht ausgeht. Sollte das Gegenteil der Fall sein, werden Ihre Freunde triumphierend an Ihnen vorbei fahren. Auf dieser Strecke erkennt man auch die Räder, die für jedes Gelände geeignet sind, ganz gleich ob Steigung oder Gefälle. Mit einem zu hohen Lenker sind Sie nicht in der Lage, die steilsten Steigungen zu überwinden. Wer hingegen über eine Gabel mit verstellbarer Einstellung verfügt, wird in der Lage sein, sein Vorderrad auf dem Boden zu halten und folglich auch die tückischsten Steigungen überwinden. Mal ganz ehrlich: Sollte man auf diesen Singletrails bei einer Steigung sein Bike schieben, ist das absolut keine Schande. Aber wir sind sicher, dass sich unter Ihren Freunden eine Rivalität breit machen wird, die nur das einzige Ziel hat, den Passo Rocchetta als erster zu erreichen. Im Gegensatz zu den technischen Passagen bei der Talfahrt, wo die besten schnellstens aus dem Blickfeld derjenigen verschwinden, die nicht unbedingt auf Du und Du mit den sich jeweils ergebenden Hindernissen stehen, ermöglicht die geringe Geschwindigkeit bei der Bergfahrt keine großen Zeitunterschiede. Normalerweise bleibt eine Bikergruppe eher zusammen und jeder kann sich vom körperlichen Zustand seiner Freunde überzeugen. Dies hat zur Folge, dass bis zum letzten Tritt in die Pedale die Konkurrenz bestehen bleibt.
Der Preis für so viel Mühe erwartet Sie am Ende des Wegs, und zwar auf einer Panoramaterrasse, die den atemberaubenden Blick auf den Gardasee freigibt. Gegenüber liegt der Monte Baldo. Rechts von Ihnen ist die Poebene erkennbar. Links befindet sich der Monte Brione, der Torbole von Riva del Garda trennt. Lassen Sie Ihre Bikes auf dem Pass und unternehmen Sie einen Spaziergang auf den Wegen, die Sie zum Bergkamm oberhalb des Gardasees bringen. Dort erwartet Sie ein unbeschreibliches Panorama, das sich perfekt zu einem Erinnerungsfoto eignet.
Nach der verdienten Rast, haben Sie zwei Alternativen zur Wahl: Den Rückweg über die zuvor vollbrachten Steigungen, mit einer schönen technischen Variante, kurz vor der Malga Palaer (siehe Info), oder die Fortsetzung der Tour auf dem Weg 422 bis zur Bocca dei Fortini, wo die Abfahrt in Richtung Ledro-See beginnt. Sollten Sie Zeit und Lust haben, empfehlen wir Ihnen Letzteres. Der Weg 422 wird nach ein paar abfallenden Kurven, direkt nach dem Passo Rocchetta, eben und ein Vergnügen, um in die Pedale zu treten. Er verläuft auf der oberen Hanghöhe über dem Valle del Singol und Limone am Gardasee. Mit abwechslungsreichen Aussichten - die man unbedingt fotografisch festhalten sollte – werden Sie mehr als einmal Ihren Drahtesel anhalten, bevor sie die Baita Segala erreichen. Dort haben Sie die Möglichkeit, Ihre Wasserflaschen mit Mineralwasser aufzufüllen, das freundlicherweise vom Alpenverein von Limone angeboten wird (vergessen Sie bitte nicht ihren Obolus zu entrichten). Die Bocca dei Fortini ist nur noch wenige hundert Meter entfernt, und von dort geht es auf einer ehemaligen Militärstraße nur noch bergab, die bis zum Ledro-See führt. An diesem See lohnt sich eine Verschnaufpause, bevor Sie den Rückweg nach Riva del Garda einschlagen. Dieser führt sie neuerlich über die alte Straße des Ponale. Es gibt keinen schöneren Abschluss für diese Tour. Die Sonne scheint am Nachmittag auf das gegenüberliegende Seeufer, während Sie sich an der frischen Luft der Bergfahrt und am Blick des immer näher kommenden Sees erfreuen. Die Schwerkraft eines Bikes zu nutzen, wird heute eine der schönsten Dinge auf der Welt sein!
INFO TRAIL
Höhendifferenz: 1400 m
Kilometer: 35
Schwierigkeitsgrad: ****
Beste Jahreszeit: April - November
Strecke: Riva del Garda – Pregasina (auf dem Weg Giacomo Cis, der alten Straße des Ponale) – Malga Palaer – Passo Rocchetta (Weg 422 bergauf, er beginnt links bei der Schotterstraße, etwa 400 m nach der Malga Palaer. ABSOLUT ZU VERMEIDEN, der Weg, der bei der Alm beginnt, man kann ihn auf keinen Fall im Sattel zurücklegen!) – Passo Guil – Bocca dei Fortini – Ledro-See - Molina di Ledro – Biacesa – Riva del Garda (auf der alten Straße des Ponale und auf dem Weg Giacomo Cis).
Alternative: Vom Passo Rocchetta Abfahrt auf dem Weg 422, den man auch bergauf zurücklegte (bei der Abfahrt wird er zu einem wahren Highlight!). Bei der Schotterstraße angekommen, links abbiegen und bis zum Weg 422 fahren, der rechts verläuft (einige Abschnitte sind sehr technisch) und bis Pregasina dem Weg folgen. Von dort in umgekehrter Richtung dem Weg nach Riva folgen.